"Mobilität als Dienstleistung" (englisch "Mobility as a Service" oder kurz MaaS), ein Schlagwort, das in Finnland zum ersten Mal in ein praktisch nutzbares Instrument umgewandelt wurde. Piotr Heller schreibt dazu im Deutschlandfunk im September 2018 einen Artikel, der die Leistung von MaaS eindringlich vor Augen führt. 

Eine Vision, die künftig nach Meinung einiger Protagonisten Reisen stark vereinfachen, den PKW abschaffen und damit die Städte vor dem Verkehrskollaps retten soll. Das vertritt u.a. Sampo Hietanen, der den ersten Schritt zu dieser Transformation bereits in Helsinki gewagt hat. Die im November 2017 offiziell eingeführte App heißt "Whim" (englisch "Laune" oder "Marotte") und ist die Repräsentation von MaaS. Die Firma, die sie realisiert hat, heißt dementsprechend MaaS Global und Sampo Hietanen ist ihr Gründer. Und die Nutzerzahlen steigen beständig. 

Auf einer Fahrt nach Hakaniemi, zum Marktplatz, will Hietanen dem Autor die Vorteile praktisch vor Augen führen. Whim bietet eine Auswahl an multimodalen Verkehrsmitteln, er wählt "ÖPNV". Gleichzeitig kommt bereits eines der herausragenden Features von Whim zum Tragen: Man kann monatliche Abos abschließen, die die Nutzung des ÖPNV-Netzes für 49 € erlauben, Leihfahrräder, Taxi (in bestimmten Grenzen), Mietwagen (für 49 € / Tag) und Leihfahrräder sind als Gesamtpaket nutzbar. Man kann die App aber auch pro Fahrt einsetzen. Auch hier stehen mehrere Verkehrsmittel zur Auswahl. Das Optimum an Schnelligkeit und Preis ist die Straßenbahn zum Ziel Hakaniemi. Verschiedene Verbindungen werden zur Auswahl gestellt, das Ticket wird mit einem Klick gekauft und ist papierlosVerbindungssuche und Buchung hinter dieser simplen Oberfläche läuft, für den Nutzer unsichtbar, in der Cloud ab. Dabei bietet Whim verschiedene alternative Routen an, wie z.B. die umweltfreundlichste, die bequemste, die "gesündeste" (mit Teilstrecken auf dem Fahrrad), also eine Aufteilung der Reise in Etappen mit verschiedenen Verkehrsmitteln, für die man sonst jede einzelne Etappe gesondert zusammensuchen und einzeln die Tickets kaufen müsste. Bei Whim ist alles in einer Reise verbunden, mit einem Wort: "Intermodales Reisen", wie wir bei datagon das verstehen. Zusätzlich können dynamische Informationen während der Fahrt z.B. eine andere Strecke wählen, wenn es zu Komplikationen kommt. Der Nutzer wird an Ort und Stelle umdirigiert, um möglichst schnell an sein Ziel zu gelangen. 

Darüber hinaus könnten diese dynamischen Informationen in der Gesamtschau Ansätze künftiger Verkehrsplanung unterstützen, wenn sozusagen aus der "Vogelperspektive" die Erkenntnisse aller Störungen und Behinderungen zu einem Gesamtbild zusammen gefasst und damit auch die Transportadern effizienter ausgelastet werden können. Das ist aber noch Zukunftsmusik. Damit könnte auch eine Verschönerung der Städte einhergehen, wenn heutige, überfüllte Parkplätze dann zu Gartenlokalen oder Terrassen umgebaut werden können, da weniger Autos unterwegs sind, weil sie besser ausgelastet werden (Carsharing). Es wird außerdem die Mega-Metropolen, in denen künftig noch viel mehr Menschen leben und arbeiten werden, vor dem Verkehrskollaps retten, wenn alle Transportkapazitäten effektiver ausgelastet und die Passagiere intelligenter transportiert werden. Autonome Fahrzeuge, die permanent unterwegs sind und Passagiere transportieren, werden MaaS dann einen enormen Schub verleihen. 

Sampo Hietanen kam auf den Gedanken zu MaaS, als er die Transportbranche mit der Mobilfunkbranche verglich. Er erkannte, dass in der Transportbranche wesentlich mehr Umsatzpotential steckt. Der Kritik, speziell von Deutschen und Briten, dass sie ihr Auto lieben und niemals aufgeben werden (siehe datagon-Blog "Die Deutschen werden noch lange im Auto sitzen"), begegnet er mit der Feststellung, dass dies für ältere Menschen gelte, aber nicht mehr durchgängig für die junge Generation. "Eigentum" ist in vielen Bereichen nicht mehr so wichtig für sie, siehe Spotify, Uber oder Airbnb. Nachdem der Autor zusammen mit Sampo Hietanen im Ministerium angekommen ist, klärt sie ein Mitarbeiter dort darüber auf, dass MaaS als Voraussetzung gesetzliche Regelungen benötigt: Regelungen im Bereich Open Data. Das ist jetzt in Finnland gesetzlich geregelt: Alle im Transportwesen tätigen Unternehmen müssen heute ihre Daten offen legen. Nicht nur Fahrpläne, sondern auch Live-Daten sowie Programmierschnittstellen dazu. Alle Transportunternehmen sind dadurch gezwungen, bei MaaS mit zu machen. Das setzt sich mittlerweile in vielen Ländern weltweit durch. Nur in Deutschland, wie bei vielen anderen Bereichen, dauert es länger, bis die Key-Player mitspielen. Mit MaaS könnten auch kleine Anbieter einbezogen werden, um die "letzte Meile" anzuschließen für eine Tür-zu-Tür Verbindung. 

Siehe auch "Wie wir demnächst von A nach B kommen"