Im Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung erschien in der März-Ausgabe 2019 ein Interview mit Sampo Hietanen, der allen an MaaS (Mobility as a Service) und neuen Mobilitätsformen Interessierten ein Begriff ist.
Das Interview ist überschrieben mit «Die individuelle Freiheit steht vor allem». Um den Verkehrsinfarkt zumindest teilweise zu verhindern, hat Sampo Hietanen mit seiner Firma "MaaS Global" die Smartphone-App "Whim" entwickelt, die es in Städten erlaubt, den ÖPNV, aber auch Carsharing, Ridesharing und Bikesharing auf einfache Art zu nutzen. Hietanen sagt, dass wir uns von vielen Mobilitätsangeboten bisher fast ausschließlich für das Auto entschieden haben. Zwar ist Nachhaltigkeit oberstes Gebot, aber auch die individuelle Freiheit. Deshalb muss man Wege finden, die Menschen freiwillig von nachhaltigeren Fortbewegungsarten als dem Auto zu überzeugen. Er selbst fährt in Helsinki zu seinem Arbeitsplatz mit dem Bus und nimmt für die letzten beiden Kilometer ein Stadtrad oder geht zu Fuß. Er glaubt deshalb, dass die Menschen dann auf das Auto zu verzichten bereit sind, wenn sie nach Lust und Laune mobil sein können. Auch Elektroautos seien nicht die Lösung, da sie ja nur die fossil angetriebenen ersetzen.
"Whim" ist sehr erfolgreich und wird bereits in Helsinki, Birmingham und Antwerpen genutzt. Aber in Deutschland? Da gibt es seiner Aussage nach "monopolistische Machtspielchen", um die Nutzung von Daten, APIs und Komponenten für Drittanbieter zu erschweren. Dabei hält er "Smart Mobility" in Hamburg, bei dem lediglich die Parkplätze reduziert werden, als wenig zielführend. Besser sind die "switch-points", an denen die Reisenden von Bahn auf Carsharing oder Stadträder umsteigen können, da hier das Prinzip der individuellen Freiheit gewahrt wird. Sie realisieren auch eher das "Hub"-Prinzip, als das "Korridor"-Prinzip (Erläuterung siehe Link unten). Ersteres wird als zukunftsweisender angesehen.
Interessant: Der Gedanke, dass in Entwicklungsländern Afrikas und Südamerikas der Entwicklungsschritt, ein eigenes Auto zu besitzen, gleich übersprungen werden könnte. Das ist zwar nicht realistisch, aber wünschenswert. Zumindest wäre es einfacher realisierbar, das alte Bussystem durch ein neues zu ersetzen, als private, alte PKWs durch neue. Allerdings durchlaufen viele Entwicklungsländer die gleiche Schleife wie die entwickelten Länder: Mit zunehmenden Einkommen wächst der Wunsch nach einem eigenen PKW. Dem kann man nur durch bessere Verkehrsangebote begegnen. Hietanen entwirft ein Szenario mit modernen Luxus-Zügen, schön gestalteten Bahnhöfen und zuverlässigen Zubringern, die den Wunsch nach dem eigenen PKW einschränken könnte.
Die derzeit entstehende chinesische Megacity Jing-Jin-Ji, die 130 Millionen Einwohner haben wird, wird verkehrsmäßig anders gestaltet werden müssen, mit Hubs statt Korridoren. Autos werden in einer solchen Stadt nicht mehr zugelassen werden können. Logistik soll in MaaS künftig mit eingearbeitet werden, da es besser erscheint, dass die Waren zu den Menschen kommen, als umgekehrt. Insgesamt spricht sich Hietanen für moderne Verkehrskonzepte mit strengeren Regeln aus, um neue Mobilitätsideen umsetzen zu können, die helfen, urbane Mobilität für die Menschen noch effektiver zu gestalten.
Siehe auch "Die individuelle Freiheit steht vor allem" aus Böll, dem Magazin der Heinrich-Böll-Stiftung